Der jüngste Tarifabschluss im öffentlichen Dienst ist relativ gut ausgefallen
Besser als in vorherigen Tarifrunden fiel das Ergebnis für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst der Bundesländer aus – nicht zuletzt, weil mehr und länger gestreikt wurde.
Die schnelle Einigung kam überraschend. Am Samstag trafen sich die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes vertreten durch Verdi, und die Tarifgemeinschaft der Länder (TdL), der alle Bundesländer außer Hessen angehören, zum dritten Mal, um über einen neuen Tarifvertrag für die Beschäftigten in den Landesbehörden und -dienststellen zu verhandeln. In den ersten beiden Verhandlungsrunden konnte kein Ergebnis erzielt werden, die Ansichten lagen weit auseinander.
Bis 2006 wurden die Tarife der Beschäftigten der Länder gemeinsam mit denen des Bundes und der Kommunen ausgehandelt. Die Tarifgemeinschaft wurde jedoch von Arbeitgeberseite aufgekündigt, die Tarifverhandlungen der Länder finden seither separat statt. In den Bundesländern gestalteten sich die Verhandlungen für die Gewerkschaften sowohl wegen der geringen gewerkschaftlichen Organisierung als auch wegen des geringeren Drucks, den Streiks in Landesämtern und -behörden entfalten können, üblicherweise schwierig.
An den Tarifauseinandersetzungen beteiligen sich immer mehr junge und weibliche Beschäftigte.
Kompliziert waren die Verhandlungen auch deshalb, weil es nicht nur um mehr Geld für alle geht, sondern auch um eine neue Eingruppierung der einzelnen Beschäftigten in die Lohntabelle. Die neue Entgeltordnung für die kommunalen Beschäftigten macht auch entsprechende Veränderungen bei den Länderbeschäftigten erforderlich. Wegen der Komplexität der Regelungen und der Vielzahl an Tätigkeitsmerkmalen, die der Einordnung in die verschiedenen Entgeltgruppen zugrunde liegen, waren Vorgespräche zur Veränderung der Entgeltordnung in den Ländern gescheitert.
Zudem lag vor Beginn der dritten Verhandlungsrunde kein Angebot der Arbeitgeber vor, die gefordert hatten, das Tarifergebnis müsse »kostenneutral« sein. Die Beschäftigten sollten die Lohnerhöhungen einzelner Berufsgruppen also durch den Verzicht anderer selbst finanzieren. Für die Gewerkschaften, deren Basis vor allem in den unteren und mittleren Lohngruppen liegt, war das ein inakzeptabler Vorschlag.
Angesichts des Fachkräftemangels in einigen Bereichen des öffentlichen Dienstes standen die
Landesregierungen allerdings auch unter Druck, Zugeständnisse wenigstens bei Akademikern und Spezialisten zum Beispiel in der Pflege oder dem IT-Bereich zu machen. Die Gewerkschaften hatten sich dagegen zum Ziel gesetzt, die Einkommensunterschiede innerhalb der Belegschaft nicht noch zu vergrößern, sondern im Gegenteil vor allem die Beschäftigten mit unteren und mittleren Einkommen besserzustellen.
Die etwa eine Million Tarifbeschäftigten der Länder forderten für einen zwei Jahre laufenden Tarifvertrag sechs Prozent mehr Lohn, mindestens aber 200 Euro im Monat und eine Erhöhung der Ausbildungsvergütungen um 100 Euro. Daneben sollten in der Krankenpflege die Werte der sogenannten Pflegetabelle um 300 Euro angehoben werden. Das Tarifergebnis gilt auch für die 1,2 Millionen Beamten in den Ländern und Kommunen, auf deren Bezüge das Ergebnis im Normalfall übertragen wird, sowie etwa eine Million Pensionäre.
Vor der letzten Verhandlungsrunde hatten die Gewerkschaften den Druck nochmals deutlich erhöht. Lange Zeit galten die Warnstreiks der Landesbeschäftigten wegen des geringen gewerkschaftlichen Organisationsgrads als Pflichtübung ohne große Auswirkungen. Doch wegen der wachsenden gewerkschaftlichen Einbindung der sozialen Berufe, die vor allem durch die Streiks im Sozial- und Erziehungsdienst 2015 nochmals gestiegen ist, beteiligen sich immer mehr junge und weibliche Beschäftigte an den Tarifauseinandersetzungen im öffentlichen Dienst.
Bereits bei der Tarifrunde der Kommunen im Frühjahr vergangenen Jahres waren es vor allem junge Menschen, insbesondere aus den sozialen Berufen, die für bessere Arbeits- und Lohnbedingungen auf die Straße gingen und mit medienwirksamen Aktionen auf ihre Forderungen aufmerksam machten. Nun hat die neue Streikbewegung nun auch die Länder erreicht. So folgten nicht nur weitaus mehr Streikende als in den vergangenen Jahren dem Aufruf der Gewerkschaften zu Arbeitsniederlegungen, auch die Arbeitskämpfe waren deutlich intensiver. Statt zu kurzen Warnstreiks wie in vergangenen Tarifrunden kam es in der vergangenen Woche zu ganz- und teils mehrtägigen Ausständen auch in sensiblen Bereichen.
So legten am Dienstag in Bayern 7 000 Beschäftigte die Arbeit nieder, an den Universitätsklinken in München, Regensburg und Erlangen wurde sogar zwei Tage lang gestreikt. Zahlreiche Stationen mussten geschlossen und OP-Termine verschoben werden. In Berlin traten Lehrer und Erzieher ebenfalls zwei Tage nacheinander in den Ausstand. Etwa die Hälfte der landeseigenen Kitas blieb vollständig geschlossen. An den Schulen fielen weit mehr als 20 000 Unterrichtsstunden ersatzlos aus. Insgesamt legten in Berlin etwa 16 000 Beschäftigte die Arbeit nieder. Auch in den anderen Bundesländern beteiligten sich Zehntausende an den Warnstreiks.
Als das »beste Ergebnis im Länderbereich seit vielen Jahren« pries der Verdi-Vorsitzende Frank Bsirske das am Wochenende ausgehandelte Ergebnis. »Aus unserer Sicht ein fairer Tarifabschluss«, sagte der Verhandlungsführer der TdL, Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD). Diese Ansicht teilen wohl nicht alle Landesregierungen, Kollatz gelang es jedoch, die erforderliche Mehrheit von 60 Prozent zu erhalten. Kostenneutral ist der Abschluss für die Länder nicht, einer vorläufigen Schätzung zufolge müssen sie sieben Milliarden Euro mehr aufwenden.
Tarifabschlüsse sind komplex, bekannt sind bislang nur die wichtigsten Punkte. Die Beschäftigten erhalten acht Prozent mehr Lohn, allerdings verteilt auf drei Erhöhungen in 33 Monaten. Jeder Beschäftigte soll mindestens 240 Euro mehr bekommen, für Pflegekräfte in Krankenhäusern gibt es eine zusätzliche Lohnerhöhung von 120 Euro. Eine Neuordnung und Verbesserung der Entgeltordnung konnte die Gewerkschaft nur für einzelne Berufsgruppen durchsetzen.
Bsirske hat mit seiner Einschätzung wohl recht, allerdings vor allem weil die vorherigen Abschlüsse sehr dürftig ausgefallen waren. Dass es diesmal besser lief, liegt wohl an der, dass etwas gegen den Pflegenotstand und den Erziehermangel unternommen werden muss. Außerdem sorgt die lange Laufzeit nach der unerwartet großen Streikbeteiligung nun fast drei Jahre für Ruhe in den Landesbehörden. SPD-geführte Landesregierungen wollten wohl zudem einen allzu großen Widerspruch zur programmatischen sogenannten Linkswende der Partei vermeiden. Ausgezahlt hat sich aber auch die größere Kampfbereitschaft der Beschäftigten.
Erschienen in Jungle World 10/2019 vom 07.03.2019