Nächste Ausfahrt Privatisierung

Die Schaffung einer Bundesinfrastrukturgesellschaft ermöglicht die Privatisierung der Fernstraßen

Mit der Neuregelung des Länderfinanzausgleichs wurde auch die Privatisierung des Baus und Betriebs von Autobahnen und Bundes­straßen ermöglicht. In der Öffentlichkeit blieb dies beinahe unbemerkt.

Auf den ersten Blick sieht es aus wie ein großer Erfolg für die Ministerpräsidenten der Länder. Nach einem langen Streit um die Neuregelung des Länderfinanzausgleichs konnten sie sich mit der Bundesregierung einigen. Nachdem Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble zunächst nur sieben Milliarden und später 8,5 Milliarden Euro angeboten hatte, erhalten die Bundesländer den endgültigen Vereinbarungen gemäß ab 2020 9,5 Milliarden Euro pro Jahr Ausgleichszahlungen vom Bund, was der Forderung der Ministerpräsidenten nach 9,7 Milliarden Euro ziemlich nahekommt.
Ob dies am Ende jedoch tatsächlich ein gutes Geschäft war, ist zu bezweifeln. Trotz anderslautender Beschlüsse in einigen Landesparlamenten und den Warnungen von Verkehrsexperten und Gewerkschaften haben die Ministerpräsidenten der Länder im Gegenzug für die Milliarden aus dem Länderfinanzausgleich der Schaffung einer Bundesinfrastrukturgesellschaft zugestimmt und damit die Privatisierung des Baus und Betriebs von Autobahnen und Bundesstraßen möglich gemacht.
Die Idee einer Bundesinfrastrukturgesellschaft und einer privaten Beteiligung an den bundesdeutschen Autobahnen wird schon länger diskutiert. Im Frühjahr 2016 schlug Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) private Beteiligungen von Versicherungen und Banken an den Fernstraßen vor. Damit komme der Staat an das Geld für die teure Instandhaltung und Sanierung von Straßen, ohne sich selbst verschulden zu müssen, so Gabriel. Versicherungen und Banken hingegen haben in Zeiten von Niedrigzinsen Probleme, ihr Geld gewinnbringend anzulegen, und fordern daher schon seit langem Beteiligungen an staatlicher Infrastruktur.
Zu den treibenden Kräften dieses größten Privatisierungsvorhabens der vergangenen 20 Jahre gehören neben Wirtschaftsminister Gabriel Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). Eine solche Infrastrukturgesellschaft des Bundes erfordert jedoch eine Änderung des Grundgesetzes und diese scheiterte bisher am Widerstand der Bundesländer. So wurde die Schaffung der neuen Gesellschaft von der Bundesregierung einfach zum Verhandlungsgegenstand des neuen Länderfinanzausgleichs gemacht.
Von einer Privatisierung der Fernstraßen, deren Wert Experten auf bis zu 200 Milliarden Euro schätzen, würden vor allem die beteiligten Konzerne profitieren. So zeigt ein Gutachten des Bundesrechnungshofs aus dem Jahr 2014, dass privat finanzierte Autobahnen den Staat bei weitem teurer kommen als vergleichbare staatlich unterhaltene Verkehrswege. Der Bundesrechnungshof prüfte damals vier Autobahnabschnitte, die unter Beteiligung privater Investoren gebaut wurden und kam zum Ergebnis, dass sie 1,9 Milliarden mehr kosteten, als wenn der Bau staatlich finanziert worden wäre.
Der Grund dafür ist einfach. Die Rendite, die privaten Investoren gezahlt werden muss, ist weit höher als der Zins, zu dem der Staat sich selbst verschulden kann. Gerade in einer Niedrigzinsphase wie im Moment bekäme die Bundesrepublik so günstig wie selten zuvor Kredite. Dem im Weg steht jedoch die Ideologie der Austeritätspolitik in Form der »Schuldenbremse«, die einen ausgeglichen Haushalt vorschreibt.
In der nun zwischen Bund und Ländern geschlossenen Vereinbarung ist von einer Privatisierung offiziell keine Rede. Im »Bund-Länder-Papier« heißt es: »Es soll eine unter staatlicher Regelung stehende privatrechtlich organisierte Infrastrukturgesellschaft eingesetzt und das unveräußerliche Eigentum des Bundes an Autobahnen und Straßen im Grundgesetz festgeschrieben werden.«
Gegenüber der eigenen Partei behauptet der SPD-Bundesvorsitzende Gabriel, damit sei eine »Privatisierung von Bundesstraßen und Autobahnen ausgeschlossen«. Dies ist jedoch noch nicht einmal die halbe Wahrheit. So werden im Kompromiss zwischen Bund und Ländern zwar die Straßen selbst als Eigentum des Bundes festgeschrieben. Um eine Privatisierung tatsächlich auszuschließen, müsste aber auch das Bundeseigentum an der In­frastrukturgesellschaft grundgesetzlich verankert werden. Mit der geplanten Regelung bleibt zwar der Asphalt weiter im Besitz des Staates. Die Gesellschaft – und damit Planung, Bau, Finanzierung und Erhalt der Fernstraßen – könnte jedoch durchaus privatisiert werden.
Genau dies liegt auch im Interesse möglicher Investoren, ist doch geplant, der Gesellschaft neben den Straßenbaumitteln des Bundesetats auch die Einnahmen aus der LKW-Maut zu überlassen. Sollte es tatsächlich zur Einführung einer PKW-Maut kommen, wird voraussichtlich auch dieses Geld in den Kassen der neuen Bundesgesellschaft landen.
Dass der Ausschluss einer Privatisierung der künftigen Infrastrukurgesellschaft politisch nicht gewünscht ist, wird unter anderem aus einer Protokollerklärung des Bundeslands Thüringen zum »Bund-Länder-Papier« deutlich. Darin macht sich Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linkspartei) dafür stark, nicht nur das Eigentum an den Fernstraßen, sondern auch das Bundeseigentum an der Gesellschaft grundgesetzlich zu verankern. Dass dieser Vorschlag sich nur in einer Protokollerklärung und nicht im Beschluss selbst wiederfindet, macht deutlich, dass er sich damit nicht durchsetzen konnte.
Vor allem Finanzminister Schäuble lehnt Positionen wie die Thüringens ab. Das Finanzministerium gibt an, es wolle das Bundeseigentum an der Gesellschaft »einfachgesetzlich« festschreiben. Das bedeutet, eine Mehrheit des Bundestags könnte ohne Zustimmung des Bundesrats sowohl Teile als auch die gesamte Gesellschaft jederzeit veräußern.
Auch wenn die Schaffung einer Bundesinfrastrukurgesellschaft in der Berichterstattung um die Neuregelung des Länderfinanzausgleichs bisher keine große Rolle spielt, gibt es durchaus kritische Stimmen. So warnt auch die Opposition vor einer Privatisierung der Autobahnen und Bundesstraßen.
Der Haushaltspolitiker Sven-Chrsitian Kindler (Grüne) wirft der Bundesregierung einen »üblen Trick« vor. Werde das Bundeseigentum an der Gesellschaft nicht im Grundgesetz festgeschrieben, sei es möglich, »dass das Eigentum an dieser Gesellschaft trotzdem nach ein paar Jahren an private Investoren verkauft werden kann«, sagte Kindler dem Berliner Tagesspiegel und zog dabei Parallelen zur Privatisierung der deutschen Bahn.
Widerstand gegen die neue Bundesinfrastrukurgesellschaft gibt es vor allem bei den Gewerkschaften. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, die die ungefähr 18 000 Beschäftigten der Straßenbauverwaltungen vertritt, lehnt eine mögliche Privatisierung ab und drängt darauf, auch das Eigentum des Bundes an der geplanten Infrastrukturgesellschaft grundgesetzlich festzuschreiben. Verdi fordert, daß die neue Gesellschaft als Anstalt des öffentlichen Rechts gegründet wird.
Insbesondere drängt Verdi auf die soziale Absicherung der Beschäftigten. So will die Gewerkschaft einen Tarifvertrag für die neue Gesellschaft und die Anwendung der Mitbestimmung durchsetzen. Zudem fordert sie den Ausschluss von betriebsbedingten Kündigungen, von Versetzungen von Beschäftigten gegen deren Willen und die Sicherung der bisherigen Standorte.
Dass der Kampf für solche Regelungen bitter notwendig ist, zeigen die Privatisierungsfolgen für Beschäftigte in der Vergangenheit. So entfielen innerhalb von zehn Jahren nach der Privatisierung der Berliner Wasserbetriebe 30 Prozent der Arbeitsplätze und auch der umfassende Stellenabbau bei Post und Telekom im Zuge der Privatisierung des Post- und Fernmeldewesens ist den Gewerkschaften noch bleibend in Erinnerung. Während es in diesen Fällen jedoch großen Protest weit über die Gewerkschaften hinaus gab, bleibt es angesichts der bevorstehenden Privatisierung der Autobahnen und Bundesstraßen im Land der Autofahrer erstaunlich ruhig.