Offiziere für Deutschland

Die AfD wünscht sich ein militarisiertes Land

In ihrem Grundsatzprogramm setzt die »Alternative für Deutschland« auf eine stärkere Militarisierung im Inneren und Äußeren. Über die Wahl der militärischen Bündnispartner herrscht jedoch Uneinigkeit.

Schon bald könnte der ehemalige Generalstabsoffizier Georg Pazderski im Berliner Landesparlament Platz nehmen. Der vormalige Bundeswehroberst und Nato-Spitzenfunktionär ist Vorsitzender des Berliner Landesverbandes der »Alternative für Deutschland« (AfD) und dessen Spitzenkandidat bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus im September. Pazderski ist nicht der einzige Militäroffizier, der in der AfD eine politische Heimat gefunden hat. Ebenfalls im Berliner AfD-Landesvorstand sitzt beispielsweise der Landesvorsitzende der Jugendorganisation »Junge Alternative«, Thomas Weiß. Er war sechs Jahre Zeitsoldat und zuletzt Offizier einer Panzerkompanie. Der Landesverband Rheinland-Pfalz wird vom Berufsoffizier Uwe Junge geführt, der zudem seit dem Frühjahr AfD-Fraktionsvorsitzender im Mainzer Landtag ist. Der Kapitänleutnant der Reserve und Fernsehjournalist Armin-Paul Hampel leitet den Landesverband Niedersachsen. Die rechte Partei scheint auf aktive und ehemalige Militärangehörige eine besonders hohe Anziehungskraft auszuüben. Ein Grund könnte das Vorhaben der Partei sein, die Bundeswehr sowohl für ihre Einsätze im Inland wie auch im Ausland zu stärken.
Die Tübinger »Informationsstelle Militarisierung« (IMI) beschäftigte sich erst kürzlich in einer Analyse mit den militärpolitischen Vorstellungen der rechtspopulitischen Partei. In der von Lucius Teidelbaum verfassten Studie wird deutlich, dass die AfD auf eine umfassende Militarisierung der Gesellschaft zielt. In ihrem auf dem Stuttgarter Parteitag beschlossenen Grundsatzprogramm fordert sie unter anderem die Wiedereinführung der Wehrpflicht »für alle männlichen deutschen Staatsbürger zwischen 18 und 25 Jahren«. Dazu heißt es: »Die Landesverteidigung ist eine gesamtstaatliche Aufgabe. Sie betrifft den Kern staatlicher Existenz und unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Daher ist der Auftrag der Bundeswehr Verpflichtung für jeden Staatsbürger.« Eine Dienstbefreiung soll es deshalb auch nur in Ausnahmefällen geben, während der »Wehrdienst aller junger Männer aus allen gesellschaftlichen Schichten« als Regelfall angesehen wird.
Dabei geht es der AfD nicht nur um eine verbesserte Landesverteidigung. Der Dienst soll vor allem die Identifikation mit der Bundeswehr stärken. Die Rückkehr zur Wehrpflicht schaffe die Voraussetzungen dafür, »dass sich die Bevölkerung mit ›ihren Soldaten‹ und ›ihrer Bundeswehr‹ identifiziert, mit Streitkräften, die in der Bevölkerung fest verankert sind«, heißt es im Programm. Auch die Zuständigkeiten der Armee sollen erweitert werden. So sieht die AfD deren Aufgabe nicht nur in der »Landesverteidigung«, sondern auch im »Heimatschutz«. Die AfD Baden-Württemberg etwa fordert in ihrem Programm unter anderem, einen »Tag des Heimatschutzes« einzuführen, »an dem Bundeswehr, Feuerwehren, Polizei und Technisches Hilfswerk über ihre Arbeit informieren«.
Für die größere Rolle, die der Bundeswehr künftig zukommen soll, mangele es sowohl an Geld als auch an der Ausstattung. Die deutschen Streitkräfte seien nur bedingt einsatzbereit, urteilt die AfD in ihrem Grundsatzprogramm. »Durch Fehlentscheidungen und grobes Missmanagement wurden sie über nahezu drei Dekaden hinweg vernachlässigt.« Dass der Verteidigungshaushalt in den vergangenen zehn Jahre um mehr als fünf Milliarden Euro gestiegen ist und 2015 mit fast 33 Milli­arden Euro den drittgrößten Ausgabenposten im Bundeshaushalt darstellt, wird dabei ignoriert. Die Kritik konzentriert sich vor allem auf Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), der vorgeworfen wird, sich mehr um Kinderbetreuungsplätze bei der Truppe zu kümmern als um die vermeintlich nötige militärische Aufrüstung. »Von der Leyen ist als Verteidigungsministerin für die Bundeswehr schlichtweg ein Super-Gau«, so das harsche Urteil von Pazderski, der auch außen- und verteidigungspolitischer Koordinator der AfD ist.
Besonders auffällig, weil kompatibel mit rechtsextremen Vorstellungen, ist die Behauptung, die Bundesrepublik folge nicht ihren eigenen Interessen, sondern sei von ausländischen Mächten fremdbestimmt. Man verfolge »eine orientierungslose Anpassungspolitik«, die dazu führe, »dass zunehmend andere Staaten und Institutionen die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik beeinflussen und steuern«. Auch in ihren »Grundsätzen für Deutschland« vom November 2015 beklagen der Thüringer AfD-Landesvorsitzende Björn Höcke und der stellvertrenden Bundesvorsitzende Alexander Gauland nicht nur den zu geringen Stellenwert der Streitkräfte, sondern auch die Fremdbestimmtheit der Bundeswehr. »Deutschland ist nach Einschätzung höchster Sicherheitsbeamter nicht mehr in der Lage, die innere wie die äußere Sicherheit zu garantieren. Und was macht die Bundeswehr? Sie dient in der ganzen Welt fremden Interessen, während die hiergebliebenen Soldaten ihre Kasernen für Asylsuchende räumen und Toiletten in Erstaufnahmeeinrichtungen reparieren«, heißt es in dem Papier. Im Grundsatzprogramm der AfD steht die Forderung nach einer »umfassend befähigten Bundeswehr als Eckpfeiler deutscher Souveränität« im Zentrum der Außen- und Sicherheitspolitik. Eine gemeinsame europäische Armee wird mit Verweis auf die deutsche Souveränität abgelehnt, jedes Engagement der Nato müsse »im Einklang mit den deutschen Interessen« stehen und Nato-Einsätze außerhalb des Bündnisbereichs dürften nur unter Berücksichtigung »deutscher Sicherheitsinteressen« stattfinden.
Das künftige Verhältnis zur Nato ist bei der AfD in militärpolitischer Hinsicht der umstrittenste Punkt. Für den völkisch-nationalistischen Parteiflügel sind die USA der Inbegriff des Bösen. Auf dem Bundesparteitag im November 2015 wurde auf Betreiben dieses Flügels eine Resolution verabschiedet, welche die USA zum Verantwortlichen für alles Übel in der Welt erklärt – vom is­lamistischen Terror bis zur weltweiten Flüchtlingssituation. Vor dem Programmparteitag Anfang Mai forderten Vertreter dieser Strömung den Austritt aus der Nato. »Wenn sich die Nato-Strategie nicht umgehend und grundsätzlich« ändere, müsse »Deutschland, um den Frieden in Europa zu sichern, auch zu einem unkonventionellen Schritt bereit sein«, begründete Höcke die Forderung.
Der Parteivorstand setzte sich dagegen für einen Verbleib im Militärbündnis ein. Zwar sprach sich der Vizevorsitzende Gauland für eine engere Anbindung an Russland aus, trat jedoch vehement für einen Verbleib im Nordatlantikpakt ein. »Ich bin mir sicher, würde Bismarck heute noch leben, wäre er für einen Verbleib Deutschlands in der Nato. Auch um das Vertrauen der Nachbarn Deutschlands nicht zu beschädigen«, so der Bismarck-Biograph Gauland. Letztlich setzten sich die Nato-Befürworter durch. »Die Mitgliedschaft in der Nato entspricht den außen- und sicherheitspolitischen Interessen Deutschlands, soweit sich die Nato auf ihre Aufgabe als Verteidigungsbündnis beschränkt«, heißt es nun im Grundsatzprogramm.
Welche praktischen Auswirkungen die Vorstellungen der AfD von einer stärkeren militärischen Souveränität der Bundesrepublik haben werden, ist noch nicht klar. Der schon bisher von verschiedenen Regierungskoalitionen seit der Wiedervereinigung eingeschlagene Kurs der Remilitarisierung in der Außen- und Sicherheitspolitik könnte durch die Wahlerfolge der AfD jedenfalls weiter beschleunigt werden. Den Offizieren, die in der AfD ihre politische Heimat gefunden haben, dürfte es gefallen.