Regensburger Raumordnung

Will die Universität Regensburg das Thema Antisemitismus totschweigen?

Die Universität Regensburg hat dem AStA die Nutzung von Räumen für Veranstaltungen zu Themen wie Antisemitismus und Israel verweigert. Podiumsdiskussionen einer anderen Gruppe mit Vertretern der Fatah oder Saudi-Arabiens dürfen hingegen stattfinden.

Für eine Veranstaltungsreihe zum Thema Antisemitismus verweigerte kürzlich der Kanzler der Universität Regensburg, Christian Blomeyer, dem Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) die kostenlose Nutzung von Räumen der Hochschule. Auf Einladung des AStA und der Stipendiatengruppe der Hans-Böckler-Stiftung sollten unter anderem Veranstaltungen mit Jan Riebe von der Amadeu-Antonio-Stiftung über Antisemitismus in Deutschland und mit dem Verein »Mideast Freedom Forum Berlin« über die israelische Demokratie und den israelisch-palästinensischen Konflikt stattfinden. Nach Blomeyers Ansicht fallen diese Themen nicht in den Aufgabenbereich der Studierendenvertretung.

Der Verein »Junges Europa« griff nicht zum ersten Mal auf einen fragwürdigen Referenten zurück.

Dass an Universitäten Veranstaltungen zu gesellschaftspolitischen Themen stattfinden, ist nicht ungewöhnlich. Häufig ist es der AStA, der solche Veranstaltungen anstößt und organisiert. Doch in Bayern ist das schwieriger. Als einziges Bundesland besitzt der Freistaat keine verfasste Studierendenschaft, die unabhängigen Ausschüsse wurden 1973 durch die CSU-Landesregierung abgeschafft. Zwar gibt es auch weiterhin Studierendenvertretungen, diese sind in ihren Rechten jedoch stark beschnitten und verfügen über keine Satzungs- oder Finanzhoheit.

Veranstaltungen, die Nutzung von Räumen an der Universität und andere Dinge müssen mit der Universitätsleitung besprochen und von dieser genehmigt werden.An der Universität Regensburg organisiert der AStA diesen Widrigkeiten zum Trotz seit langem Seminare und Veranstaltungen zu verschiedenen Themen wie dem Urheberrecht bei wissenschaftlichen Texten, den Gefahren der »Identitären Bewegung« oder zu Homophobie und Sexismus – bisher ohne Einwände der Hochschulleitung. Das hat sich nun geändert.

Die Organisatoren der Veranstaltungsreihe widersprechen der Argumenta­tion des Kanzlers. »Als Studierendenvertretung betrachten wir politische Bildung ganz klar als eine unserer zentralen Aufgaben«, sagte Dominik Graf, einer der studentischen Sprecher. »Gerade in Kooperation mit Stiftungen können wir dazu beitragen, einen Dialog über verschiedene politische Themen unter den Studierenden anzuregen. Vorträge und Workshops, organisiert von studentischer Seite, sind eine sinnvolle Ergänzung zum regulären Vorlesungsangebot«, so Graf. Dass ausgerechnet eine Veranstaltungsreihe zu Antisemitismus vom Kanzler abgelehnt wird, stößt bei den Studierenden auf scharfe Kritik. »Bisher gab es nie Probleme bei unseren Veranstaltungen. Es scheint, als möchte der Kanzler ­gerade diese Vortragsreihe nicht an der Universität haben. Wir können das nur als Versuch sehen, das Thema ›Antisemitismus in Deutschland‹ totzuschweigen«, sagte Nadine Randak, Mitglied im Studierendenrat.

Dass es der Universitätsleitung bei der Entscheidung, den Studierenden keine kostenlosen Räumlichkeiten zu überlassen, nicht um politische Ver­anstaltungen im Allgemeinen und auch nicht um Veranstaltungen zum Nahen Osten im Besonderen geht, zeigt eine Podiumsdiskussion, die gleichzeitig zur geplanten Veranstaltungsreihe an der Universität stattfindet. Unter dem Titel »Europa in der Pflicht? Antworten auf die neue Nahostpolitik der USA« lud der aus Studierenden bestehende Verein »Junges Europa« ein, über die »­Bedeutung der Europäischen Union als internationaler Akteur im Nahen Osten« zu diskutieren. Auf dem Podium saß neben dem Grünen-Politiker Volker Beck auch Jamal Nazzal, der Sprecher für europäische Angelegenheiten der palästinensischen Fatah-Organi­sation.

Der ehemalige stellvertretende Generaldelegierte der Palästinensischen Autonomiebehörde in Den Haag präsentiert sich gerne als die moderate Stimme der Fatah in Europa. Tatsächlich gehört er zu den antiisraelischen Hardlinern. Nazzal vertritt zudem eine Politik der Versöhnung zwischen der Fatah und der islamistischen Hamas. »Die Israelis haben es gerne, wenn es qualmt. Die Israelis haben es gerne, wenn Krieg ist«, sagte er anlässlich des Gaza-Kriegs 2009. Die westlichen Me­dien sind für ihn Sprachrohr der israelischen Regierung. In einem Interview mit dem Deutschlandfunk kritisierte Nazzal 2009, er habe die Berichterstattung westlicher Medien über den Krieg in Gaza beobachtet und festgestellt, diese könne »ein Teil eines israelischen Informationsministeriums sein. Das Motto westlicher Berichterstattung besteht darin, dass die Hamas eine Terrororganisation sei.« Dass er diese Aussage in einem Interview mit der größten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt in Deutschland tätigen konnte, schien ihm kein Widerspruch zur behaupteten proisraelischen Gleichschaltung der westlichen Medien zu sein. In der Deutschen Welle behauptete Naz­zal zudem, Israel habe den langjährigen PLO-Vorsitzenden Yassir Arafat ermordet. Es gebe für diesen Vorwurf zwar keinen Beweis, aber »auf palästinensischer Seite gibt es gar keine Zweifel, dass Arafat von Israel nicht nur politisch, sondern auch physisch kaltgestellt wurde«.

Als die Veranstaltung am Mittwoch vergangener Woche stattfand, kam es nicht nur zwischen Nazzal und Beck zu hitzigen Diskussionen, auch aus dem Publikum wurde den Ausführungen des Fatah-Sprechers lautstark wiedersprochen. Mit der Podiumsdiskussion sei »einem antiisraelischen Hetzer eine Plattform geboten« worden, kritisierte die antifaschistische Gruppe »anita.f«, die zu einer kritischen Begleitung der Veranstaltung aufgerufen hatte. Man hoffe, dass die Veranstalter aus ihrem Fauxpas lernen, halte das »allerdings für unwahrscheinlich«. Zwischendurch stürmten sechs vermummte Mitglieder der »Identitären Bewegung« (IB) die Bühne. Nach wenigen Minuten verließen die Rechtsextremen den Saal wieder.

Mit Nazzal griff der Verein »Junges Europa« nicht zum ersten Mal auf einen fragwürdigen Referenten zurück. 2016 lud er mit Fatih Zingal einen Vertreter der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) ein, die der türkischen AKP nahesteht. 2015 nahm an einer Podiumsdiskussion über die Partnerschaft zwischen Saudi-Arabien und Deutschland neben einem Vertreter des Bundesverbands der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindus­trie auch der Botschafter Saudi-Arabiens in Berlin, Ossama bin Abd al-Majed Shobokshi, teil. Die Menschenrechts­lage im absolutistischen Saudi-Arabien gilt als eine der schlimmsten weltweit.

Inzwischen ist es den Organisatoren der Vortragsreihe zum Thema Antisemitismus gelungen, zumindest eine der Veranstaltungen in den Räumen der Universität unterzubringen. Ein Professor der Theologie hat sich bereit erklärt, den Vortrag »Antisemitismus in Deutschland« als Lehrveranstaltung anzubieten. Auch die anderen Veranstaltungen sollen stattfinden, allerdings nicht an der Universität. Es bleibt jedoch die Frage, wieso mit Nazzal der Vertreter einer Organisation an einer Universität sprechen kann, ­deren militärischer Arm, die al-Aqsa-Märtyrerbrigaden, für den Tod zahl­reicher israelischer Zivilisten verantwortlich ist, während einer von anerkannten Trägern organisierten Veranstaltungsreihe zum Thema Antisemitismus die kostenlose Nutzung von Räumlichkeiten verwehrt wird.